4 Stimmen im Kopf

Während der Jahre kurz nach meinem Studium hatte ich trotz der Welt der Emotionen, die für mich aufging…naja vielleicht eher aufbrach…naja ok…ich hab die Tür mit Wucht aufgerissen, ich gebe es zu…jedenfalls hatte ich während dieser ganzen Zeit stumme Begleitung, die ständig sprach. Es waren die Stimmen in meinem Kopf. Vor allem die Stimme meiner Lehrerin. „Du musst nach vorne Singen! Du musst dein Gaumensegel heben!“ Machmal war ich zufrieden mit mir, dann kam Angst hoch. Oh Gott, sicher hab ich etwas übersehen, überhöhrt. Meine Lehrerin wusste immer etwas auszusetzen. Es kann garnicht sein, dass etwas einfach gut ist, bestimmt stimmt jetzt was nicht mit mir, was ich nichtmal wahrnehmen kann. Himmel hilf!

Diese Stimmen konnte ich nicht ein- und ausschalten. Sie waren einfach da und das sind sie zu einem kleinen Teil bis heute, auch wenn sie schon sehr viel leiser geworden sind. Gott sei Dank vergisst man mit der Zeit Dinge….

Diese Stimmen waren nach dem Studium sogar lauter als die Stimme meines Körpers. Ich versuchte mehr und mehr auf ihn zu hören und stieß ständig an Grenzen. Auch dieses Gefühl nicht zu wissen, ob man denn wirklich alleine besser werden kann, hat mich zermürbt. Ich hatte keinen Selbstwert, dass ich mein Lehrer sein kann, weil mir einfach schlichtweg die Erfahrung gefehlt hat, dass es klappt, wenn ich mir etwas beibringe. Im Grunde war ich ein Baby, unfähig eigenverantwortlich zu arbeiten. Das ist schon erstaunlich, wie man von den Professoren dazu benutzt wird abhängig von ihnen zu sein. Sie beziehen ihren Selbstwert daraus, dass sie gebraucht werden. Da wäre ein selbständiger Schüler ja fatal, denn sie müssten sich mit ihrem Nutzen für den Schüler auseinandersetzen. Was hab ich denn zu geben, wenn mich der andere nicht mehr dringend braucht?

Hopsa. Da war sie, die Frage, die ich mir unbedingt selbst beantworten musste, wenn ich ein guter Pädagoge werden wollte. Ich sprang einfach. Ich hatte keine Antwort und erzog trotzdem alle Schüler so gut ich konnte zur Selbständigkeit. Loslassen war für mich ein langer Prozess. Zu merken, dass allein die Zeit mit mir ausreicht, einfach weil ich als Mensch genüge und nicht als Fachkraft, die mehr weiß als die Schüler, dauerte seine Zeit. Und es gingen und kamen viele Schüler. Der Wechsel, den ich in meiner Klasse hatte, war die ersten Jahre enorm. Ich finde das einen super Spiegel für das, was sich auch bei mir in diesen Jahren verändert hat. Klar, dass da keiner ewig bleiben konnte, weil ich am Ende eines Schuljahres schon wieder eine komplett andere Pädagogin war. Denn schließlich war ich ja auf meinem Weg Gesangsunterricht zu meinem Traumberuf zu machen. Da musste ich viel hinter mir lassen und vor allen Dingen so schnell gehen wie möglich, um mich selbst nicht zu sehr zu verletzen in einem Beruf, der mir keinen Spaß macht. Oft passte es dann nicht mehr mit meinen Schülern zusammen, was auch ok war.

Doch eine Schülerin blieb über all die Jahre und heute sehe ich sie mir an und bin richtig stolz auf sie. Sie sucht sich ihr Repertoire komplett selbst aus und kommt mit technischen Fortschritten in die Stunde, die sie sich selbst beim Üben erarbeitet hat. Für mich ist das ein Hammer. Ich konnte das im Studium nicht. Wow! Ziel erreicht. Sie will Musik studieren und das war mir als Rüstzeug für sie wichtig, dass ihr Selbstwert so hoch ist, dass sie auch allein vorankommt. Sie muss nie mehr in eine Mäuschenhaltung rutschen, egal welchen Lehrer sie bekommt. Das mitzuerleben gibt mir eine Zufriedenheit wie sonst kaum etwas. Ich sollte sie mal fragen, wie es mit ihren Stimmen im Kopf steht (Lächeln).

  1 comment for “4 Stimmen im Kopf

  1. Anna-Maria
    23. November 2014 at 18:11

    hi regina,
    nun melde ich mich auch mal zu wort hihi 🙂
    auch, wenn du durch dein studium viel einstecken musstest und va sehr lange gebraucht hast deinen eigenen weg zu finden, das zu finden, was dich in deinem Leben erfüllt und glücklich macht, was dich zu dem macht wie du jetzt bist: in jeder gesangsstunde total motiviert und freudestrahlend, weil du deinen eigenen weg gefunden hast, ist es doch jetzt, genauso wie es jetzt im moment ist, ein super weg! ohne den ganzen sumpf im studium würdest du jetzt nicht so unterrichten.

    der letzte absatz ist (va für mich hihi) sehr schön zu lesen! Danke dafür, freut mich unglaublich arg ! 🙂
    Zu meinen Stimmen im Kopf… eigentlich hab ich die noch nie wahrgenommen. Entweder sie sind garnicht da oder mir sind sie noch nie aufgefallen. Ich komm keinesfalls mit einer Angst in den Unterricht, eher ist es so- ich möchte das, was ich musikalisch erreicht und entdeckt habe Zuhause oder sonst wo, mit dir teilen, möchte, dass du dich mit mir freust, dass wir uns zusammen über etwas freuen, was den anderen weitergebracht hat.
    Eine Eigenschaft meinerseits, die mich wahrscheinlich mein Leben lang begleiten wird, ist mein Ehrgeiz, der mich manchmal an meine Grenzen gehen lässt. Ich hab niemanden, der mir in musikalischer Sicht Angst machen kann, niemand der mich so unter Druck setzen kann, außer ich selbst. Das ist manchmal garnicht so leicht, „mich selbst“ dabei abzustellen, meine Erwartungen nicht so hoch zu stellen. Schon bei Gesangsübungen fängt das an, wenn das einfach nicht so klappt wie ich möchte. Sofort werde ich genervt, mache zu und dann klappts erst recht nicht und der emotionale Faktor spielt verrückt. Typisches Muster meinerseits.

    PS: Ich hoffe du hast Recht damit, dass ich nicht mehr in eine Mäuschenhaltung rutschen muss, selbst während des Studiums meinen eigenen Weg mit Hilfe der Gesangslehrer gehen kann, den Weg vielleicht ja sogar mit ihnen gehen kann und wenn nicht, mich davon genug emanzipieren kann, um mein eigenes Ding zu machen 🙂

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