Nichts tun und besser werden

Derzeit entstehen viele Trainingspläne für Musiker. Fünf Reifestufen einer Fähigkeit werden jeweils mit möglichen Moves bestückt, die helfen können eine Fähigkeitsstufe weiter zu kommen. Klingt ziemlich spielerisch, wie die Level in einem Computerspiel. Es ist aber gerade alles andere als witzig. Für die Studierenden wie für mich ist es unglaublich anstrengend, es zu entwerfen. Meistens schauen wir nach diesen Sessions aus wie zertretene Frösche. Auch ich brauch danach eine Verschnaufpause.

Ein paar Gründe fallen mir ein, warum das so ist, auch wenn ich vermute, dass da noch ein weiterer Grund existiert, den ich noch nicht auf dem Schirm habe.

Aber einer der Grunde ist meiner Meinung nach unsere Gesellschaft. Sie verlangt von uns Zertifikate, Weiterentwicklung, Hochbegabung. Sie belohnt die Talentierten, Intelligenten und diejenigen mit den herausragendsten Fähigkeiten. Das suggeriert uns bzw. mir, dass ich nicht gut genug bin, wie ich jetzt bin. Ich muss besser werden um in der Welt zu bestehen. Vor allem bei uns Musikern wächst dieser Druck im Studium durch die unsicheren Berufsaussichten.

Wenn dann da auf dem Blatt ein detaillierter Trainingsplan steht mit ganz konkreten Trainingsschritten, der zu einem Ziel hinführt, das gefühlte Lichtjahre weit weg ist, und von dem ich weiß, dass ich es eigentlich können sollte, dann ticken wir total aus.

Meiner Einschätzung nach braucht man tatsächlich mindestens ein halbes Jahr für einen von diesen neuen Trainingsplänen, wenn man schnell ist. Und wir entwerfen aber knapp 20 davon. Dass das alles nicht mehr trainierbar ist in einem Leben ist klar, aber dennoch sind die Fähigkeiten, die am Ende der Trainingspläne stehen alle grundsätzlich für einen Profimusiker erforderlich. Da liegt es nahe, dass man aussteigt, wenn man erkennt, dass man es in einem Leben niemals schaffen kann ein Musiker zu werden, der alle Fähigkeiten voll entwickelt. Tja, schweres menschliches Schicksal. Das Gefühl, das dann in den Kursen hochkommt ist Überforderung, und dass es anstrengend ist.

Dabei erlebe ich das Trainings mit Moves vollkommen anders. Es ist als ob ich aufhöre gehetzt zu sein, irgendeinem Projekt oder einer Fähigkeit hinterher zu rennen. Es ist als ob ich stehen bleibe. Es fühlt sich an, als ob ich ein Baum wäre, zu dem die Veränderung von ganz alleine kommt, wie Wasser und Sonne. Ein Baum tut nichts um zu wachsen. Er steht nur rum. Und das Gleiche Gefühl habe ich gerade durch die Moves. Ich lasse sie geschehen. Ich tue eigentlich nichts, außer an manchen Stellen mehr wahrzunehmen. Jeder Move trainiert eine Wahrnehmung. Und wahrnehmen ist keine Tätigkeit. Wahrnehmen ist eine Fähigkeit, aber man tut nichts dabei. Und im Licht meiner Aufmerksamkeit, kann ich wie ein Baum wachsen. Von alleine, ohne, dass ich etwas willentlich entscheide. Es geschieht einfach aus meiner Biologie heraus. Ziemlich philospohisch und auch etwas witzig, dass nach der Entschleunigungsphase, die durch Moves bei mir entstanden ist nun die Stillstandphase kommt. Und dann ist es ja auch kein Move mehr…keine Bewegung. Es ist eher wie ein Atmemzug. Und vor allem was kommt als nächstes? Löse ich mich in Luft auf? Ich will es garnicht wissen…;-)

  2 comments for “Nichts tun und besser werden

  1. Mark
    11. Februar 2018 at 16:54

    Cooler Text!
    Was sagen denn die anderen dazu, woran dei Erschöpfung liegen könnte?
    Ist da keine Vorfreude mit so einem Plan anzufangen? Setzen sie keine Energie frei?
    Oder ist es eher so, dass es einfach nur ein riesen Berg ist, der da vor einem steht?
    Sind die Pläne zu groß?

  2. Anne
    16. Februar 2018 at 17:26

    Also ehrlich gesagt, wir hatten ja gestern eine ziemlich coole Ideensammelsession für diese Reifestufen.
    Aber das war in unserer Music Moves 2 Gruppe und für mich ein „Kuchenstück“ (ein einzelner Trainingsplan), das mir liegt. Das Thema Langsamkeit beim Üben. Ich fand es nicht so schwer, die fünf Stufen zu füllen. Das lag vor allem an der super Teamarbeit! Wir haben uns echt gut gegenseitig befeuert 🙂
    Und ich habe mich inzwischen von den Nachteilen des Systems Hochschule emanzipiert. Ich liefere nicht, weil ich es muss, sondern nur dann, wenn ich will und Freude daran habe und weil ich es kann. Darum erzeugen die Trainingspläne bei mir absolut Lust und Vorfreude!
    Als Studierende hätte ich allerdings wahrscheinlich auch erstmal kurz den Kopf in den Sand gesteckt. Man steht vor einem Berg von Aufgaben und unter Druck. Aber eigentlich verstehe ich jetzt auch gar nicht mehr so richtig, wo das Problem liegt. Man macht sich seine story map, eine Prioritätenliste oder steigt einfach da ein, wo es einen am meisten hinzieht. Genug Inhalte hat man ja. Und dann macht man einen Schritt nach dem anderen und lernt dabei auch noch wahnsinnig viel über sich selbst. Da wird einem nicht langweilig. Das Coole ist ja, dass es nach vier bis sechs (oder mehr) Jahren Studium noch ein ganzes Leben lang weitergehen darf mit dem Üben und Lernen 😀

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